ohne Titel (124) - 2011

gedenkseite

am 6. januar 2023 ist bernhard jablonski mit 98 jahren verstorben. wir trauern mit seinen angehörigen!

gedenkkerze

Eine Gedenkschrift

Bernhard Jablonski und seine fotografischen Bilder

„Sehen, anders sehen, entdecken und verfremden“, so lautete der Titel seiner Ausstellung im Pforzheimer Kunstverein. Bernhard Jablonski zeigte damals Fotobilder, die mit dem Computer „gemalt“ waren. Mit der Digitalkamera aufgenommene Landschaftsausschnitte, Felsen, Gletscher, Wolken, Blumen, das sanfte Wogen von Wellen oder die gebogene Linie einer Frauenbrust – Bernhard Jablonski zerlegte, transformierte, verfremdete und intensivierte seine Motive, damit sich, so hat es die Pforzheimer Zeitung formuliert, das Auge ganz neu orientieren muss.

Ich kenne keinen Künstler, der so konsequent wie Bernhard Jablonski den Menschen als Gestalter der digitalen Technik verstand. Und nicht, wie so oft missverstanden wird, als einen Ausführenden der digitalen Technik.

Bernhard Jablonski war davon überzeugt: Nur der Mensch verfügt über Urteilskraft, hat Gefühl und Intuition, kann Abwägen, Spüren und Bewerten. Nur er ist in der Lage, den Daten eine Bedeutung zu geben. Nur er kann den Datenbrei klug interpretieren. So zum Beispiel den Scheinzusammenhang, wonach die Zahl der Waldbrände mit dem Konsum von Speiseeis steigt, wo das Gemeinsame doch lediglich hohe Temperaturen sind.

Weil Bernhard Jablonski nie zu jenen gehörte, die es nicht mehr hören können, dass die Welt im Umbruch ist, sah er von Anfang an in der digitalen Transformation eine Chance, zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Antwort auf die Frage, was diesen Wandel antreibt, war bei ihm allerdings nie: Technik. Im Gegenteil, das Wesentliche bei der Digitalisierung war bei ihm stets: der Mensch.

Als Künstler setzte Bernhard Jablonski die allerneuesten Foto-, Computer- und Drucktechniken ein. Durch bis zu hundertfacher Ausschnittvergrößerung, durch Zerlegen und Akzentuieren, durch Veränderung der Lichtintensität oder durch kreatives Ins-Dunkel-Tauchen, so, dass die Umrisse des Motivs nur noch zu erahnen sind, lenkte er die Aufmerksamkeit auf das Schöne.

Seine zukunftweisende künstlerische Strategie war das Experiment. Ausprobieren, Neues erforschen. Mit Abenteuerlust, mit provisorischer Neugier, mit spielerischer Beweglichkeit steuerte er in Richtung Anderssehen. Was er damit beim Betrachter herausforderte, war die Bewusstheit von Mehrdeutigkeit und Unbestimmtheit im menschlichen Leben. Es ging darum, die geistige Offenheit zu aktivieren, die Phantasie anzuregen, die geistige Haltung des Betrachters herauszufordern und zu verändern. Er wollte zum Selberdenken anstiften. Was ja auch die Fähigkeit zum Sich-selbst-widersprechen einschließt, also die Fähigkeit zur Ambiguitätstoleranz und zum Sowohl-als-auch.

Bernhard Jablonskis fotografische Bilder sind ein Plädoyer für das, was durch keinen Rechner zu ersetzen ist, was sich nicht an Systeme, Instrumente oder Softwareprogramme abtreten lässt; ein Plädoyer für die Urteilskraft des Menschen, für eine selbstbestimmte Kreativität, für Spürsinn und Offenheit. Sie zeigen, dass man als mündiges Individuum auch im digitalen Zeitalter den Weg in die Souveränität gehen kann. Was er gestaltete, war ja nichts für Menschen, die denken, was immer schon gedacht wurde. Nichts für Menschen, die sehen, was alle sehen.

Weil Bernhard Jablonski auf das Wesentliche der Digitalisierung zielte – wie gesagt, nicht auf die Macht der Maschinen, sondern auf das, was nur Menschen leisten können – markierte er mit seinen fotografischen Bildern die Megakompetenz der Zukunft. Stellte er das ins Zentrum seiner Kunst, was Computer und künstliche Intelligenz nicht können. So gesehen war Bernhard Jablonski der Pionier einer wegweisenden digitalen Zuversicht, indem er auf ein Produktionsmittel zurückgriff, was bereits beim Königsberger Aufklärer Kant vorgesehen war: den Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen!

Dr. Franz Littmann, im Januar 2023.


Private Fotografien (passwortgeschützt)

2 thoughts on “gedenkseite”

  1. ein großer formgestalter und visionär hat uns verlassen. er war inspirierend und beseisternd und hat viele seiner schüler einen neuen blick auf die welt gelehrt.
    mein herzliches beileid.
    meine gedanken sind bei seiner familie

  2. ein inspirierender mann, der mit witz und charme die welt heller und schöner gemacht hat.
    wie schön sie kennengelernt zu haben.
    alles liebe für seine familie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert